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Reise ins Gehirn – Die Wege und Wirkung von Medikamenten

Unser Erbgut – die DNA – macht uns zu dem, was wir sind. Es handelt sich um eine Art Bauplan, in dem festgelegt ist, wie wir uns entwickeln. Konkret stellt sich das so dar: Ein erwachsener Mensch besteht aus vielen Zellen; rund 100 Billionen insgesamt!1 


In jeder dieser Zellen dient die DNA (Desoxyribonukleinsäure) als Bauplan. Die in der DNA enthaltenden Informationen steuern die Entwicklung der Zelle. Sie liefert die Anleitung für die Proteine, und bestimmt letztendlich auch über das Zellwachstum, die Zellreifung, die Zellteilung und das Absterben von Zellen. So weit so faszinierend. Was aber passiert, wenn durch einen Fehler im Bauplan eine falsche Nachricht gesendet wird? Was, wenn der Bauplan die falschen Informationen zur Verfügung stellt? Kurz gesagt: Die Konsequenzen können schwerwiegend sein. DNA-Fehler in Gehirnzellen zum Beispiel führen unter Umständen zu neurologischen Erkrankungen. Das Nervensystem wird beeinträchtigt und damit die Fähigkeit eines Menschen, Sinnesreize wahrzunehmen, zu verarbeiten und die entsprechenden Reaktionen zu steuern. Auch neuromuskuläre Folgen sind denkbar. Diese betreffen das Zusammenwirken von Muskeln und Nerven.

Entwicklung mit großem Potenzial bei neurologischen Erkrankungen

Zu den am schwierigsten zu behandelnden Erkrankungen dieser Art zählen beispielsweise Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und spinale Muskelatrophie (SMA). ALS führt zu spastischen Lähmungen und Muskelschwund, SMA verursacht ebenfalls unter anderem den Abbau von Muskulatur. Etwas bekannter in der Öffentlichkeit sind die Krankheiten Parkinson und Alzheimer. Parkinson bezeichnet eine Erkrankung des Gehirns, die zu Zittern, Sprachstörungen und Muskelsteifheit in Armen und Beinen führt. Alzheimer nimmt vor allem älteren Menschen nach und nach die Erinnerung, die Persönlichkeit, die Selbstständigkeit und schließlich sogar das Leben. Angetrieben von unserem Engagement für Patientinnen und Patienten und aufgrund unserer Erfahrung in den Neurowissenschaften hat sich Biogen langfristig verpflichtet, diese komplexen und teils selten auftretenden Krankheiten zu erforschen und mögliche Behandlungsansätze voranzutreiben.2

Zu den wichtigsten Aktivitäten bei der Suche nach zielgerichteten Therapieansätzen zählte im ersten Schritt die Entwicklung von synthetischen Nukleinsäuren, genannt Antisense-Oligonukleotide (ASOs). Kooperationspartner von Biogen war dabei das Biotechnologieunternehmen Ionis Pharmaceuticals. Bei ASOs handelt es sich um dieselbe Art von Bausteinen, aus denen DNA und Ribonukleinsäuren (RNA) bestehen.3 ASOs binden sequenzspezifisch und verändern die RNA der Zelle und modifizieren, reduzieren oder restaurieren infolgedessen ein ausgewähltes Zielprotein.4

Die Forschungsergebnisse sind bislang vielversprechend. „Als wir uns unsere ASO-Daten angesehen haben, war das ein richtiger Gänsehautmoment für mich“, sagt Dr. Toby Ferguson, Head of Neuromuscular Development Unit bei Biogen. „Mir war bewusst, dass wir möglicherweise die Zukunft von Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen positiv verändern können.“

Toby Ferguson, Head of Neuromuscular Development Unit bei Biogen

Wie kommt das Medikament ins Gehirn?

Doch wie lässt sich mit dem Medikament das Gehirn erreichen? Das Problem: Die so genannte Blut-Hirn-Schranke trennt den Blutkreislauf vom zentralen Nervensystem.Somit wird verhindert, dass schädliche Stoffe über die Blutbahn ins Gehirn gelangen. Gleichzeitig werden etwa 95 Prozent der oralen und intravenösen Behandlungen blockiert.6  Ohne diese Barriere zu überwinden und an die richtige Stelle im Gehirn zu gelangen, gibt es keine Möglichkeit, eine neurologische Erkrankung zu beeinflussen. Das ist unabhängig davon, wie effektiv die Behandlung sein könnte. Deshalb ist es äußerst wichtig, über ein Werkzeug zu verfügen, das ein Medikament dahin bringt, wo es wirken soll – tief im Gehirn.

Die Lösung von Biogen und Ionis Pharmaceuticals: Die von den Partnern entwickelten synthetischen ASOs werden mit einer Nadel in die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit, das sogenannte Liquor, verabreicht (intrathekale Injektion) und gelangen direkt in das Gehirn. Das Medikament kann so die Blut-Hirn-Schranke überwinden – was eine Voraussetzung ist, um die jeweils zugrunde liegende genetische Erkrankung zu behandeln.4

„Ähnlich wie Onkologinnen und Onkologen, die verschiedene Mutationen bei Krebs behandeln, untersuchen wir Krankheiten wie SMA und ALS, die durch Genmutationen verursacht werden", erklärt Dr. Toby Ferguson. „Das Potenzial zur Behandlung von Krankheiten wie ALS beflügelt uns. Daran arbeiten wir seit Jahren.“

Wege und Wirkung sichtbar gemacht

Mit Blick auf die Effektivität von ASOs beim Erreichen des Gehirns, stellte sich das Biogen-Team eine weitere wichtige Frage: Wie können wir messen, wie ASOs im Körper absorbiert, verteilt und ausgeschieden werden? Gäbe es hierzu Antworten, könnten Ärztinnen und Ärzte die Dosierung von Medikamenten optimieren. Zudem ließe sich besser nachvollziehen, was die verabreichten ASOs im Körper bewirken.

Biogen fand auch hier eine Lösung: die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler markierten die eingesetzten, synthetischen Nukleinsäuren mit einer schwach-radioaktiven Substanz. Somit ließ sich der Weg der ASOs im Körper exakt abbilden und feststellen, ob sie die von der Krankheit/Pathologie betroffenen Gewebe erreichten.

Es ist das erste Mal, dass diese Art von Medikamenten auf ihrem Weg im Gehirn sichtbar gemacht wird. Die Methode liefert somit Einblicke wie sie nie zuvor bei Menschen gemacht wurden. Auf diese Weise können Ärztinnen und Ärzte beobachten, dass die Medikamente im Gehirn das bewirken, was sie sollten. Entsprechende Belege liegen vor. Patientinnen und Patienten lassen sich somit zielgerecht versorgen. Gleichzeitig erhalten sie die geringstmögliche Anzahl von intrathekalen Injektionen.

Erfreulicher Nebeneffekt: Für die bahnbrechende Arbeit erhielt das Biogen-Ionis-Team im Jahr 2019 den jährlichen „Healey Center International Prize für Innovation in ALS“.7 Hierbei handelt es sich um eine weltweite Auszeichnung für herausragende Forschungsergebnisse, die außergewöhnliche Entdeckungen ermöglichen. Der Fokus liegt auf einem transformativen Fortschritt in der Entwicklung der ALS-Therapie.

Die nächste Hürde überwinden

Aufbauend auf ihrem Wissen und ihrer Expertise bereitet sich das Team nun darauf vor, die nächste Hürde zu überwinden. In Kooperation mit Invicro, einer führenden Organisation in der Vertragsforschung für Bildgebung, will das Team „EXPLORER“ für Forschungszwecke nutzen. Es handelt sich hierbei um den weltweit ersten Ganzkörper-PET-Scanner der Universität von Kalifornien am Standort Davis, USA. Das zwei Meter lange Gerät ermöglicht die sogenannte Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Es erzeugt Schnittbilder von lebenden Organismen, indem es die Verteilung einer schwach-radioaktiv markierten Substanz im Organismus sichtbar macht. Biochemische und physiologische Funktionen lassen sich somit gut abbilden. Insgesamt bietet der EXPLORER eine höhere Empfindlichkeit und bessere Bilder als bisher eingesetzte Verfahren und er liefert kinetische Daten des gesamten Körpers.

Aufgrund der hohen Empfindlichkeit des Scanners erhalten die Forscherinnen und Forscher einen genaueren Überblick über die Pharmakokinetik des ASO – also die Gesamtheit aller Prozesse, denen ein Arzneistoff im Körper unterliegt. Zum ersten Mal lässt sich der gesamte Körper abbilden, während sich die synthetische Nukleinsäure von Biogen durch die Wirbelsäulenflüssigkeit bewegt. Die Bedeutung dieser neuen Technologie besteht zudem darin, dass die Strahlendosis für die Probanden minimiert werden kann. Gleichzeitig erhält das Team klare Bilder davon, wie sich der beobachtete Wirkstoff verteilt.

Biogen ist noch längst nicht am Ende seiner Forschungsreise angekommen. Das wissenschaftliche Streben nach Nutzen für die Patientinnen und Patienten motiviert das verantwortliche Team immer wieder auf ein Neues. Und wo neue Grenzen und Herausforderungen auftreten, versucht Biogen Antworten und innovative Lösungen zu finden – allein oder im Verbund mit starken Partnerinnen und Partnern.

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