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„The show must go on!“ – Mit ALS ist Aufgeben keine Option

Jedes Jahr erkranken ein bis zwei von 100.000 Personen an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer fortschreitenden, neurodegenerativen Erkrankung. Sie greift bestimmte Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark an. Wenn diese Motoneuronen absterben, verliert das Gehirn die Kontrolle über die Bewegungen der Muskeln.1

Im November 2019 fiel Eva Meer das erste Mal eine Veränderung auf. Die Vorsitzende eines Tanzsportvereins, normalerweise immer mittendrin – laut, lachend, redend – hat das Gefühl zu lallen und deutlich schwerer zu sprechen. Auch ihr Mann Detlev und andere Vereinsmitglieder bemerkten es. Im März 2020 riet ihr Hausarzt zu einem Besuch beim Neurologen und Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Doch die Corona-Pandemie kam dazwischen. Eva begann zu googeln und stellte fest: „Bei Sprachproblemen scheint es nur eine begrenzte Anzahl an Auslösern zu geben: Hirntumor, MS, Parkinson, ALS.“ 

Eva Meer erhielt mit 52 Jahren die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).

Im Sommer veranlasst ein Neurologe in Münster schließlich eine Magnetresonanztomographie (MRT). Viele weitere Tests folgten bis im September die Diagnose bestätigt wurde. Eva leidet an ALS. Die ersten ALS-Symptome treten häufig zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Sowohl der Verlauf der Erkrankung als auch die Symptomatik können stark variieren.2 Nach Symptombeginn beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung noch etwa zwei bis vier Jahre.3

Mit der Diagnose ALS verändert sich das ganze Leben

Für viele Betroffene ist der Weg zur ALS-Diagnose lang und dauert oft mehrere Jahre. Bei Eva stand die Diagnose im Vergleich dazu sehr schnell fest. „Der Schock ist trotzdem riesig“, sagt sie. Überrascht waren Eva und ihr Mann Detlev, mit dem sie seit 16 Jahren verheiratet ist, auch von der nüchternen Übermittlung der Diagnose angesichts gravierender Veränderungen im Leben von Eva und ihrer Familie. „Erst einmal waren alle unsere Pläne, die wir für die nächsten Jahre gemacht haben, weg. Wir mussten uns umstellen, nach einer neuen Wohnung suchen, das persönliche Umfeld aufgeben, den Tagesablauf ändern. Wir standen auch vor einem finanziellen Problem. Es war alles rabenschwarz“, erinnert sich Detlev und ergänzt: „Aber aus schlechten Situationen entstehen immer wieder auch Chancen.“

Chancen, die sich auch für Eva boten. In der größeren, ruhigeren Wohnung fühlen Eva und Detlef sich inzwischen sehr wohl. Evas Arbeitgeber ist verständnisvoll und hilfsbereit. Er stellt beispielsweise einen Firmenwagen zur Verfügung, baut das Büro behindertengerecht um und steht auch im Arbeitsalltag hinter ihr.

Im privaten Umfeld waren die Veränderungen teilweise schmerzhafter. „Mir fällt Reden auf die Dauer schwer“, sagt sie. Das erfordere, dass sich die Gesprächskultur im Freundes- und Bekanntenkreis an Evas Situation anpasse, erklärt Detlev. Darauf könnten sich manche nicht einstellen, weshalb zu einigen der Kontakt abnahm. Viele andere in Evas Umfeld sind aber durchaus bereit, sie auch mit der Erkrankung zu begleiten und unterstützen sie. Dazu gehören nicht zuletzt viele neue Bekanntschaften, die aus dem Austausch zwischen ALS-Betroffenen und ihren Angehörigen in den verschiedenen ALS-Gruppen und in den ALS-Ambulanzen entstanden sind.

Im Video berichtet Eva aus ihrem alltäglichen Leben mit ALS.

Gemeinsam weiter träumen, um Verbesserungen zu erzielen

ALS ist eine seltene Erkrankung. Trotz prominenter Betroffener wie Stephen Hawking oder bekannten Aktionen wie der „Ice Bucket Challenge“ im Sommer 2014, fehlt es noch an Bewusstsein und Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Auch in der Politik und der Ärztegemeinschaft bedarf es mehr Wissen und Aufmerksamkeit für die Erkrankung. Nur so kann die Versorgung von ALS-Patientinnen und -Patienten verbessert werden, sei es in der Pflege, Behandlung oder Unterstützung. 

Eva und Detlev haben die Erfahrung gemacht, dass sich die ALS-Gemeinschaft untereinander am besten und schnellsten helfen kann. Man kennt die Bedürfnisse und Probleme, vor denen die anderen stehen, tauscht sich aus. Eva selbst ist vor allem in einer Facebook-Gruppe aktiv und schreibt über ihre Erfahrungen im Blog „Spurwechsel – Leben mit der Diagnose ALS“

Reisen ist auch nach der ALS-Diagnose ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. In seinen Dreißigern reiste das Ehepaar 2,5 Jahre gemeinsam durch die Welt, besuchte 21 Länder. „Das hat schon zusammengeschweißt“, erinnert sich Detlev.

„The show must go on!“

ALS ist eine seltene Erkrankung. Trotz prominenter Betroffener wie Stephen Hawking oder bekannten Aktionen wie der „Ice Bucket Challenge“ im Sommer 2014, fehlt es noch an Bewusstsein und Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Auch in der Politik und der Ärztegemeinschaft bedarf es mehr Wissen und Aufmerksamkeit für die Erkrankung. Nur so kann die Versorgung von ALS-Patientinnen und -Patienten verbessert werden, sei es in der Pflege, Behandlung oder Unterstützung. 

Eva und Detlev haben die Erfahrung gemacht, dass sich die ALS-Gemeinschaft untereinander am besten und schnellsten helfen kann. Man kennt die Bedürfnisse und Probleme, vor denen die anderen stehen, tauscht sich aus. Eva selbst ist vor allem in einer Facebook-Gruppe aktiv und schreibt über ihre Erfahrungen im Blog „Spurwechsel – Leben mit der Diagnose ALS“

Referenzen
  1. Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V.: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), abgerufen am 14.10.2021.
  2. https://www.klinikum.uni-muenchen.de/Friedrich-Baur-Institut/de/krankheitsbilder/amyotrophe_lateralsklerose/index.html, abgerufen am 18.10.2021.
  3. Andersen PM, Abrahams S, Borasio GD et al. EFNS guidelines on the Clinical Management of Amyotrophic Lateral Sclerosis (MALS) – revised report of an EFNS task force. Eur J N eurol. 2012;19: 360-375. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1111/j.1468-1331.2011.03501.x, abgerufen am 14.10.2021.
  4. Zou ZY, Zhou ZR, Che CH, et al. Genetic epidemiology of amyotrophic lateral sclerosis: a systematic review and meta-analysis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2017;88(7):540–549.
  5. Pansarasa O, Bordoni M, Diamanti L, et al. SOD1 in Amyotrophic lateral sclerosis: “Ambivalent” behavior connected to the disease. Int J Mol Sci. 2018;19(5):1345.

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