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Der Plan – ein positives Lebensgefühl mit CED bewahren

Eva Maria hatte einen Plan. Mit 26 stand sie kurz vor dem Abschluss ihres BWL-Studiums, wollte beruflich durchstarten. Ein Plan, wie ihn viele in diesem Alter hätten. Doch etwas stimmte nicht. „Ich hatte Schmerzen, habe mich nicht mehr so energiegeladen gefühlt und meine Leistungsfähigkeit ließ ziemlich nach“, erinnert sich die heute 36-Jährige.

Was sie damals noch nicht wusste: Symptome wie ihre – häufige Bauchschmerzen, wiederkehrende, krampfartige Durchfälle, oft begleitet von Gewichtsverlust – sind typische Anzeichen für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED).1 Bei einer CED kommt es zu einer Störung der Darmschleimhaut und das Immunsystem reagiert nicht mehr, wie es soll. Weder auf die guten Bakterien, die den Darm besiedeln, noch auf solche, die dort eigentlich nichts verloren haben und Krankheiten verursachen können. Gerät das ausgeklügelte System aus der Balance, kann sich die Darmschleimhaut dauerhaft entzünden.1, 2 In Deutschland sind davon etwa 400.000 Menschen betroffen – Tendenz steigend. Männer und Frauen trifft es etwa gleich häufig.3 Der Verlauf und die Behandlung der CED hängen von verschiedenen Faktoren ab. Etwa von der Entzündung, wie schwer die Erkrankung ausgeprägt ist, dem individuellen Verlauf oder wie gut etwa vorausgegangene Therapien gewirkt haben.4, 5 Helfen Medikamente nicht mehr ausreichend, kann zur Behandlung einer CED auch eine Operation notwendig werden.

Auch Nele kennt solche Symptome. Bei ihr tauchten sie während eines Work and Travel Aufenthaltes in Neuseeland auf.

Der Weg zur Diagnose

Eva Maria hatte mit ihren schubweise auftretenden und schmerzhaften Beschwerden teils über Tage und Wochen zu kämpfen; Nele, deren Erkrankung chronisch aktiv verläuft, also ohne Schübe im klassischen Sinn, sogar über Jahre. „Ich habe auf dem Sofa gelegen, gehofft, dass der Tag schnell vorbeigeht und dass die Schmerzen irgendwie aufhören. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass mir gerade die Zeit wegläuft. Die jungen Jahre, die eigentlich so frei sein sollten, konnte ich da nicht so erleben“, erinnert Nele sich. Helfen konnte anfangs niemand. Eva Maria erzählt: „Es hat sehr, sehr lange gedauert, bis ich überhaupt eine Diagnose bekommen habe.“ Die Erkrankung bleibt oft lange unentdeckt. Vielfach wird eine CED erst nach zahlreichen vergeblichen Arztbesuchen bei unterschiedlichen Fachärztinnen und Fachärzten erkannt. Am Ende dieser teils lange andauernden Irrfahrten stand endlich fest: Eva Maria ist Morbus-Crohn-Patientin und Nele leidet unter Colitis ulcerosa – beides Varianten der CED.

Eva Maria (links) und Nele (rechts) gewähren persönliche Einblicke in ihr Leben mit einer chronischen-entzündlichen Darmerkrankung.

Man lernt die kleinen Momente zu schätzen

Durch die lange Zeit bis zur Diagnose wissen enge Freund*innen und Familie oft bereits von den Beschwerden. Für Eva Marias Familie war es trotzdem ein Schock als feststand, dass sie Morbus Crohn hat. „Die waren traurig und besorgt“, erzählt sie. Anfangs war sie selbst verunsichert, fühlte sich handlungsunfähig. „Wie soll es weitergehen? Das war, als ob jemand mit einem großen Schwamm meinen ganzen Lebensplan weggewischt hat.“ Andererseits war Eva Maria auch froh, den Grund für ihre Symptome zu kennen: „Endlich wusste ich, was ich habe. Damit konnte ich arbeiten.“

Im Alltag bringt eine CED Umstellungen mit sich. „Generell ist zum Beispiel über Stuhlgang reden, nicht immer so einfach, aber es gibt schon Situationen, wo ich denke, es macht jetzt mal Sinn für Verständnis zu sorgen und dann spreche ich das auch an.“ Sie ergänzt: „Was mich die Erkrankung gelehrt hat, ist, dass ich vielleicht in einem langsameren Tempo gewisse Ziele erreicht habe. Doch ich bin stolz, dass ich wieder Sport treiben und meinen Job ausführen kann.“

Für Nele, die heute Psychologie studiert, hat die Diagnose ebenfalls Klarheit gebracht: „Ich weiß jetzt, dass mein Leben mit meiner Erkrankung nicht vorbei ist, sondern dass ich auch mit ihr gut weiterleben kann. Außerdem habe ich auch eine Menge über mich gelernt. Wer ich eigentlich sein möchte, wohin ich will und was wichtig ist: Man lernt die kleinen Momente viel mehr zu schätzen.“

Nele und Eva Maria leben mit einer CED. Sie sprechen über Körpergefühl, Achtsamkeit und Lernprozesse für ein besseres Leben mit chronisch-entzündlicher-Darmerkrankung.

Praktische Hilfe aus erster Hand wichtig

Beide Frauen beschreiben die Phase bis zur Diagnose als herausfordernden Lernprozess. Sowohl Betroffene als auch das Umfeld durchleben ihn. Mit dem nötigen Verständnis für die Krankheit lässt er sich meistern.

Mittlerweile hat sich Eva Maria gut mit der Erkrankung arrangiert, doch anfangs habe sie sich sehr alleingelassen gefühlt, erzählt sie. Aus dieser Erfahrung heraus gründete sie 2017 den CHRONISCH GLÜCKLICH e. V. Die Selbsthilfeorganisation will unter anderem Betroffenen bei der Alltagsbewältigung helfen und dazu beitragen, die Krankheitsakzeptanz zu fördern. Der Verein gibt ihr einen besonderen Antrieb: „Ich finde es sehr schön, meinen Beitrag zu leisten und etwas Sinnstiftendes zu tun. Wir unterstützen andere Menschen auf ihrem Weg, die Erkrankung anzunehmen und damit zu leben.“ Nele, die sich hier ebenfalls engagiert, ist noch etwas anderes wichtig: „Das Tollste ist eigentlich, dass ich so wunderbare Menschen kennengelernt habe, die einen ähnlichen Weg hatten wie ich. Und da steht ein ganz, ganz tolles Netzwerk hinter. Dafür bin ich total dankbar.“

Egal, ob nur der Verdacht auf CED besteht oder die Diagnose bereits gestellt ist. Beide Frauen empfehlen Betroffenen und Angehörigen auch in Kontakt mit einer Anlaufstelle, wie beispielsweise einer Patientenorganisation, zu treten.

Weitere Informationen zum Leben mit einer CED finden Betroffene und Angehörige unter anderem auf der Patientenservice-Webseite MeinCarePlus im Bereich „Darm“ (Unter Therapiegebiete). Darüber hinaus gibt es das Findertool für Patientenorganisationen in der Nähe. Folgende Anlaufstellen bieten Betroffenen Unterstützung im Umgang mit einer CED:

CHRONISCH GLÜCKLICH e. V.

Lila Hoffnung – CED und Darmkrebshilfe e.V.

Colitis ulcerosa-Selbsthilfegruppe Wiesbaden

NIK e.V.

Referenzen
  1. Fakhoury M et al. Inflammatory bowel disease: clinical aspects and treatments. Journal of Inflammation Research 2014; 7: 113–120
  2. Wehkamp J et al. Inflammatory bowel disease: Crohn’s disease and ulcerative colitis. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 72–82
  3. Kompetenznetz Darmerkrankungen. https://www.kompetenznetz-darmerkrankungen.de/darmerkrankungen. Letzter Zugriff: 14.10.2021
  4. Kucharzik T et al. S3-Leitlinie – Colitis ulcerosa. August 2020. AWMF-Registernr. 021-009
  5. Sturm A et al. Aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des M. Crohn“. August 2021. AWMF-Registernr. 021/004  

Biogen-137521

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