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Die MS spüre ich jeden Tag – aber sie hält mich nicht auf

Katharina ist auf dem Weg zum Münchner Oktoberfest, als ihre Beine plötzlich den Dienst versagen. Sie sitzt auf der Straße und kann einfach nicht mehr aufstehen. An diesem Tag ist sie sich sicher: Mit ihr stimmt etwas nicht.

Sie ist 24 Jahre alt, genießt ihr Leben, hat einen Job, der ihr Spaß macht, und arbeitet viel. Sie liebt ihre Münchner Wohnung und geht gerne mit ihren Freunden feiern. Doch statt zu feiern, beginnt an diesem Tag ihr Weg zur Diagnose Multiple Sklerose, kurz MS. Katharina hat eine schwere Verlaufsform der selteneren sekundär progredienten Multiplen Sklerose. Diese Form der MS ist durch stärkere körperliche Einschränkungen gekennzeichnet.

Die Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems mit unterschiedlichen Verlaufsformen.1, 2 Sie tritt meist im frühen und mittleren Erwachsenenalter auf. Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer.1 Als Folge der MS entstehen Entzündungen im Gehirn und im Rückenmark, die zu vielfältigen Symptomen führen können – von Kribbeln und Taubheitsgefühlen in den Händen bis hin zu Schmerzen und Lähmungen in den Armen und Beinen. Nicht selten treten auch kognitive Beeinträchtigungen wie unscharfes Sehen oder zeitweise Blindheit auf.3 Weil sich das Krankheitsbild der Multiplen Sklerose bei den Betroffenen in unterschiedlichen und vielfältigen Symptomen und Verläufen äußert, spricht man häufig auch von der „Krankheit mit den 1.000 Gesichtern“.4

Klare Botschaft: Katharina lässt sich von der MS nicht aufhalten. (Foto: Instagram @kathas_life)

Hilfe annehmen und trotzdem selbstständig leben

Nach ihrer Diagnose fällt Katharina erst einmal in ein emotionales Loch. Sie zieht sich zurück, macht keinen Sport mehr und traut sich nicht mehr, allein rauszugehen. Über diese Phase sagt Katharina: „Ich dachte mir nur: Mein Leben bricht zusammen.“

Am schlimmsten erscheint ihr damals, dass sie nicht länger auf Partys und Konzerte gehen kann. Daran zerbrechen einige Freundschaften und auch ihr damaliger Partner trennt sich in dieser Zeit von ihr. Katharina findet Trost und vor allem Unterstützung bei ihrer Familie. Diese Unterstützung anzunehmen, fällt ihr nicht immer leicht. Sie ist stolz, auf eigenen Beinen zu stehen. Jetzt folgt die Angst, dass ihre Eltern ihr Leben lang denken könnten, sie müssten sich um ihre Tochter kümmern. Einen Teil ihrer Selbstständigkeit aufzugeben, fällt ihr schwer – auch heute noch.

Eine große Stütze für Katharina wird ihr Vater. Er ist selbst Mediziner und eignet sich umgehend Fachwissen über die MS an. Der intensive Austausch über ihre Erkrankung hilft ihr, den Schock der Diagnose zu verkraften. „Bis heute ist mein Papa mein Ansprechpartner Nummer eins bei medizinischen Fragen“, erzählt Katharina. Auch ihre Mutter leistet emotionalen Beistand und versichert ihr: „Wenn es jemand schafft, dann du!“

Obwohl sie wegen der MS schneller an ihre Grenzen stößt, bleibt Katharina motiviert. (Foto: Instagram @kathas_life)

Zurück zur Lebensfreude

Um ihre Erkrankung zu verstehen, liest Katharina viel über MS. Obwohl sie keine medizinische Ausbildung hat, verschlingt sie medizinische Fachbücher regelrecht. Noch mehr helfen ihr aber die Beiträge anderer MS-Betroffener in Internet-Foren. Sie schildern nicht nur die Symptome, wie sie im Lehrbuch stehen, sondern erklären, wie es sich anfühlt, MS zu haben. „Es hat sich einfach genauso angefühlt, wie die Leute es beschrieben haben.“ 

Katharina findet schließlich zurück zu ihrer Lebensfreude und in ein neues Leben mit MS. Sie hört auf zu rauchen, ernährt sich gesünder und macht wieder viel Sport. „Ich merke, wie toll das ist, Kleinigkeiten erleben und genießen zu können“, sagt sie. Heute zieht sie eine positive Bilanz: Die Freunde, die sie heute hat, sind wahre Freunde, die mit ihr auch durch schwere Zeiten gehen. Sie hat den Mann ihres Lebens kennengelernt und ist stolze Mutter einer Tochter.

Als Mutter steht Katharina aufgrund ihrer MS vor größeren Herausforderungen als andere Eltern. Vor der Geburt ihrer Tochter

Ihre Familie ist ihr Motivator und hilft Katharina, Kraft zu tanken. (Foto: Instagram @kathas_life)

Authentisch sein und anderen Erkrankten Mut machen

Das Leben mit MS ist dennoch nicht einfach. Die Krankheit ist immer präsent: „Ich höre oft den Satz: Denk einfach nicht dran. Das ist für MS-Kranke nicht möglich“, erklärt Katharina. „Ich denke 24/7 daran, dass ich an MS erkrankt bin, weil ich es bei allem Möglichen merke – egal, ob ich einen Schritt irgendwohin gehe, etwas aus dem Kühlschrank rausnehme oder eine Glasflasche aufschrauben will.“

Am meisten wünscht sich Katharina, dass Multiple Sklerose in Zukunft geheilt werden kann – das ist bisher nicht möglich – und dass anderen diese Diagnose erspart bleiben kann. Bis es vielleicht irgendwann so weit ist, setzt Katharina sich für andere Betroffene ein. Sie wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für die Erkrankung und ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass junge Menschen – auch wenn es nicht so aussieht – ein gesundheitliches Problem und Krankheitssymptome haben können.

Um selbst etwas zur Aufklärung beizutragen, teilt sie auf Instagram ihre Erfahrungen über das Leben mit der Erkrankung. Dabei ist ihr besonders wichtig, authentisch zu bleiben: „In der Öffentlichkeit stehen viele, die trotz Krankheit viel tun und können. Das ist toll, aber einfach nicht die Regel“, sagt sie. Sie erinnert sich, dass ihr die authentischen Vorbilder zur Zeit ihrer eigenen Diagnose gefehlt haben und möchte andere nun unterstützen, sich ein realistisches Bild vom Leben mit MS zu machen.

Sie möchte vor allem denen helfen, die wie sie mit der selteneren sekundär progredienten Form der MS leben, die in der Öffentlichkeit daher weniger präsent ist. Ihre Botschaft vermittelt sie dabei in ihren Bildern auf Instagram: „Die MS spüre ich jeden Tag – aber sie hält mich nicht davon ab, ein erfülltes Leben zu führen, Mutter zu sein, Zeit mit meinem Partner zu genießen und Träume zu erfüllen.“

 

Weiterführende Informationen über MS finden Patienten, Angehörige und alle Interessierten unter mein.ms-life.de.

Referenzen
  1. S2k-Leitlinie Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierte Erkrankungen; AWMF-Registernummer: 030/050
  2. Pschyrembel online, Klinisches Wörterbuch; verfügbar unter: https://www.pschyrembel.de/multiple%20sklerose/K0EKN/doc/; letzter Zugriff: 24. November 2021.
  3. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.; verfügbar unter: https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/ms-verstehen; letzter Zugriff: 30.08.2023
  4. Deutsche Gesellschaft für Neurologie; verfügbar unter: https://dgn.org/wp-content/uploads/2019/05/190527_PM_WMST.pdf; letzter Zugriff: 24. November 2021

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